Die Einschwörung Hitlers

 

Wie Britannien und Amerika das Dritte Reich verursacht haben

 

 

Vorwort

 

 

Nazismus. Für viele ist dieser Begriff eine Fixierung, besonders für Menschen, die ihm unterlegen waren und unter ihm ihre schlimmsten Entstellungen erfahren haben. Als Italiener erinnere ich mich nur zu deutlich an die unablässigen Erinnerungen an die Tage des Fachismus, die aus meinem Großvater väterlicherseits herausprudelten und zu denen meine Großmutter dann das Echo abgab. Nie schien er in der Lage zu sein, in sich den Knoten der Gefühle zu lösen, die ihn an Mussolini, die Deutschen, den Krieg und all die Schrecken dieser Zeit banden. Zu Zeiten wünschte er, die Achse hätte den Krieg gewonnen, dann wieder malte er sich aus, wie es gewesen wäre, wenn nicht Frankreich so früh gefallen und damit den katastrophalen Abstieg Italiens so sehr beschleunigt hätte. Die Kriegserfahrung hatte er sich dann schließlich im Balkan geholt, er hatte überlebt und fand sich unauflöslich mit der alten Welt verbunden bis zu seinem Tode lange nach 1945. Mein Vater und ich - die «Modernen» - mußten diesen Tiraden augenrollend zuhören und uns gelegentlich, seine ernst vorgetragene, doch im wesentlichen verkorkste Weltsicht in Rechnung stellend, dafür entschuldigen, daß wir auf das Unerhörte anspielten, nämlich einen möglichen Sieg der Nazis. Es war eine Weltsicht, die, wie wir Modernen gelernt hatten, die Verdammnis Europas beschworen und die Amerikanisierung der Besiegten gerechtfertigt hatte.

 

Doch die Pax Americana, die folgte, war in ihren tiefsten Gründen selber von zweifelhaftem Wert: Sie begann mit einem nuklearen Holocaust, brachte vielleicht Wohlstand, gar Überfluß für die westliche Welt, aber wenig Frieden für den Rest der Welt. Und was noch als Gefühl übrig blieb im geschlagenen Teil des Westens, war trostlos: Deutsche und Italiener waren herabgestuft auf einige ausgesogene Stämme ohne Identität.

 

Gegenwärtig gibt es in der kollektiven Einbildungssphäre des Westens nichts Schlimmeres als Nazismus, kein größeres Sakrileg, keine größere Manifestation von Brutalität, Unmenschlichkeit und Täuschung als die Herrschaft diese einzigartigen Regimes, das zwölf Jahre lang Mitteleuropa unter seiner Fuchtel hielt. Die Nazis taten dem Leben in einer bisher nicht gesehenen Weise Gewalt an und die Beurkundungen ihrer Greuel während des Krieges türmten sich so hoch an, daß nach ihrer Niederlage Deutschland in einer moralischen Steinigung durch die Sieger niedergeworfen wurde, die noch heute nicht geendet hat. Seitdem ergießt sich eine Sturzflut von Büchern, Artikeln, Vorschriften und Filmen, verfertigt von den Anglo-Amerikanern und von ihren Akquisitionen in Europa verbreitet, über jeden Ort, wo eine Debatte stattfindet und unterbindet damit jegliche andere Sicht, die der „Wahrheit“ des Establishments widersprechen könnte. Dies Wahrheit muß heißen, daß Europa durch die Kriegswütigkeit des Außenseiters in seiner Mitte kompromittiert worden ist: durch die verfluchten Deutschen, die ihre europäischen Brüder in den Krieg zogen und es daher alle verdienen, die wohlwollende Beherrschung durch ihre „amerikanischen Onkel“ hinzunehmen.

 

Ich wollte verstehen, wie all dies zustandegekommen war. Ich fragte mich, wie Europa einen solchen verheerenden Selbstmord begehen und sich einem fremden Herrscher ergeben konnte, der von einer Weltanschauung besessen war, die anders als die alte, doch gleichermaßen gewaltsam und barbarisch war. Und um die Antwort zu finden, war es offensichtlich, daß ich mich dem jüngsten Ursprung der Geschichte, das heißt dem Nazi-Fluch selber, zuwenden mußte. Warum ist es geschehen?

 

Als Absolvent der Ökonomie wandte ich mein Interesse dem Aufschwung der Wirtschaft unter den Nazis und den finanziellen Vorkehrungen zu, die diese Erholung in Gang setzten, was später zum Gegenstand meiner Dissertation wurde. Freilich weiteten sich diese Untersuchungen im Laufe von zehn Jahren immer mehr aus.

 

In dieser Studie hege ich nicht den Wunsch, die Aufzeichnungen über die deutschen Grausamkeiten neu zu bewerten. Diese sind hinreichend und gründlich auf den Prüfstand gestellt worden - obwohl eher mit anatomischer (und daher voyeuristischer) Faszination. Meine Absicht ist eher, den Punkt des Angriffs zur Beleuchtung dieser Geschichte ein paar Jahre früher anzusetzen. Denn die offiziellen „Erzählungen“ sind zum großen Teil einseitig belastet; wenn von Deutschen geschrieben, handelt es sich oft um ausufernde Zerknirschung und Entschuldigung[1]; wenn von Anglo-Amerikanern[2] verfaßt, finden wir die mehr oder minder subtile Verwünschung. Im allgemeinen umschiffen sie das Problem der Entstehung, des Heranreifens des Nazismus. Er wird abgetan als ein verworrenes Zwischenspiel, dessen wichtigstes Merkmal die rasende Rachsucht des alten Deutschland gewesen sei, und zurückgeführt auf die vermeintlichen Wirkungen „starker geschichtlicher Kräfte“ und des „Irrationalismus“ - letztlich zwei halbgare und in der Substanz bedeutungslose Begriffe.

 

Die karge Behandlung des Heranreifens der Nazis ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: erstens ist das Intervall der Geschichte, das die Ausbrütung des Hitlerismus umfaßt, berüchtigt für seine Komplexität; damit lassen sich keine guten Filmdrehbücher schreiben - mit dem Anbrechen der Krise im Westen 1930 und dem Anschwellen der Wählerstimmen für die Nationalsozialisten übergeben die liberalen Geschichtsschreiber die Fortsetzung der Erzählung an die Ökonomen, die dafür bekannt sind, von der Krise nichts zu verstehen und den Ball daher den Historikern zurückwerfen müssen; die dann auf dem traurig enttäuschenden letzten Wort in den landläufigen und elenden Erklärungen zum Aufstieg der Nazis an die Macht sitzenbleiben.



Zweitens scheint es, als würde eine ins Detail gehende Analyse des Entstehens der Nazis gemieden, weil vielleicht zuviel dabei entdeckt würde. Es könnte dabei die Wahrheit zutagetreten, daß die Nazis niemals eine Kreatur des Zufalls waren. Die These dieses Buches unterstellt, daß über einen Zeitraum von 15 Jahren (1919-1933) die angelsächsischen Eliten in der deutschen Politik in der bewußten Absicht herumpfuschten, eine reaktionäre Bewegung zu erreichen, um sie dann als Bauer in ihrem intriganten geopolitischen Schachspiel aufzustellen. Als diese Bewegung unmittelbar nach Ende des ersten Weltkrieges als religiöse, antisemitische Sekte in der Verkleidung einer politischen Partei (i.e. der NSDAP) auftauchte und Gestalt annahm, nahmen die britischen Klubs sie unter ständige Beobachtung, gingen 1931, als die Weimarer Republik in der Krise zerfiel, dazu über, sie halboffiziell zu befürworten und beendeten diese Entwicklung schließlich mit der vorgetäuschten Umarmung der Bewegung in den dreißiger Jahren. Damit soll nicht gesagt werden, daß England die Hitlerbewegung ersonnen hätte; es hat aber nichtsdestoweniger die Bedingungen geschaffen, unter denen ein solches Phänomen Gestalt annehmen konnte und hat sich in der Folge der Aufgabe unterzogen, die Nationalsozialisten finanziell zu unterstützen und ihrer anschließenden Bewaffnung in der Voraussicht sie manipulieren zu können Vorschub geleistet. Ohne diese systematisch und reichlich gewährte „Protektion“  von Seiten der anglo-amerikanischen Eliten, zusammen mit der Bestärkung durch Sowjetrussland, hätte es keinen Führer und keine Nazi-Bewegung gegeben: Die politische Dynamik der Nazibewegung verdankte ihren Erfolg dem allgemeinen Zustand von Instabilität in Deutschland, der vollkommen künstlich war - ein Wrackgut, das von den anglo-amerikanischen Klubs selber ständig weiter leck geschlagen worden war.


Mit Klubs und Eliten meine ich die etablierten sich selbst erhaltenden Bruderschaften, die das angelsächsische Commonwealth beherrschten. Diese werden (und sind noch) zusammengesetzt aus Dynastieabkömmlingen von Bankhäusern, dem diplomatischen Korps, der Offizierskaste und der Regierungsaristokratie, die immer noch fest eingewoben sind in das konstitutionelle Gewebe der modernen „Demokratien“. Diese „Klubs“ handeln, herrschen, züchten und denken wie eine kompakte Oligarchie und kooptieren die Mittelklasse, um sie als Filter und Puffer zwischen sich und ihrem Kanonenfutter zu benutzen: den Gemeinen. Tatsächlich stellt die segmentierte Wählerschaft in sogenannten „democratic constituencies“ (denen entgegen der Oxford-Etymologie von „Konstituierenden“ alle Befugnis zur Verfassung ihres Willens im Wahlakt abgeht; Anm. Übers.) das subtilste Modell oligarchischer Herrschaft dar, in der die Wahlberechtigten keinerlei Einfluß ausüben können und politische Fertigkeit nichts als ein anderer Ausdruck für die Macht der Überredung ist, die nötig ist, um für (wichtige) Entscheidungen, die bereits anderswo gefällt worden sind, „Konsens zu erzielen“.
[3]

 

Die Geschichte, die in diesem Buch dargestellt wird, ist die des britischen Empire, das um 1900 aus Furcht vor der aufstrebenden Macht des jungen deutschen Reiches im geheimen einen Plan für eine gigantische Einkreisung der eurasischen Landmasse schmiedete. Das Hauptziel dieser titanischen Belagerung war die Verhinderung eines Bündnisses zwischen Deutschland und Russland. Wenn diese beiden Mächte sich zu einer „Umarmung“ verbinden würden, argumentierten die Lenker des Weltreiches, würden sie in der Lage sein, sich mit einer Festung von Ressourcen, Menschen, Wissen und militärischer Macht zu umgeben und damit den Fortbestand des britischen Empire im neuen Jahrhundert gefährden. Mit dieser frühen Einsicht leitete Britannien eine außerordentliche Kampagne zur Auseinanderreißung Eurasiens ein, bei der Frankreich und Russland, zuletzt auch die Vereinigten Staaten, in Dienst genommen wurden, um gegen Deutschland zu kämpfen. Die Unbeständigkeit der Verhältnisse der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts waren der Stoff für das Epos der großen Belagerung Europas.

 

In Kapitel 1 wird gezeigt, wie der erste Weltkrieg den ersten Akt des Angriffs zum Abschluß brachte und vom Eindringen der Vereinigten Staaten in das große imperiale Schachspiel gekrönt wurde. Deutschland hatte den Krieg verloren, aber es war auf dem eigenen Territorium nicht besiegt worden; die deutschen Eliten in ihrer politischen und wirtschaftlichen Herrschaftsstruktur blieben intakt. Daher begann nach 1918 der zweite Akt der Belagerung, ein bestaunenswertes politisches Manöver, von den Alliierten willentlich herbeigeführt, in dem in Deutschland aus den Reihen seiner bezwungenen Militaristen ein reaktionäres Regime wiedererrichtet wurde. Britannien führte bei dieser Erhebung den Taktstock mit dem Blick darauf, eine kriegswillige politische Organisation einzuschwören, die dazu ermuntert werden würde, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Der vorausberechnete Zweck war, das neue reaktionäre deutsche Regime in einen Zwei-Frontenkrieg hineinzuziehen und dann von der Gelegenheit zu profitieren, Deutschland ein für alle Mal zu vernichten. Um diese beiden schwerwiegenden und schwierigen Zielsetzungen zur Weltbeherrschung zu erreichen, waren zwei Bedingungen zu erfüllen: 1) mußte ein Achtung gebietendes und antideutsches, heimlich mit Englands Bestrebungen sich deckendes Regime in Russland in den Sattel gehoben werden und 2) mußte in Deutschland die Saat der Auflösung gesät werden, um den institutionellen Boden für das Anwachsen eines reaktionären Regimes der „nationalen Befreiung“ zu bereiten. Das erste Ziel wurde erreicht durch die Ausschaltung des russischen Zaren 1917 und die Machtergreifung der Bolschewiken; das zweite mit der Abfassung der Bestimmungen des Friedensvertrages in einer Form, welche die dynastischen Sippen in Deutschland unversehrt aufrechterhielt: In der Tat erwarteten sich die Briten aus deren Gehege die Heraufkunft dieser revanchistischen Bewegung (Kapitel 2).

 

 

Aus den Wirren nach dem großen Krieg wurde die Republik von Weimar ins Leben gerufen - das Marionettenregime des Westens, das den Nazismus in drei Stufen ausbrütete: eine Periode des Chaos, die mit der Hyperinflation und dem Auftreten Hitlers endete (1918-1923, in Kapitel 3 behandelt); eine Periode künstlicher und geborgter Prosperität, während derer die Nazis Ruhe hielten und die künftige Kriegsmaschine Deutschland mit amerikanischen Anleihen zusammenmontiert wurde (1924-1929); und einer Periode der Desintegration (1939-1932), die ihre Beschleunigung durch den unübertroffenen Vordenker und Zeremonienmeister der Finanz des 20sten Jahrhunderts erhielt: Montagu Norman, Gouverneur der Bank von England (Kapitel 4).

 

Nachdem die Inkubation vollendet und Hitler mit seinen Leuten mit Hilfe angloamerikanischen Finanzkapitals in der Reichskanzlei angekommen war (Januar 1933), begann die beeindruckende Erholung Deutschlands unter Nazi-Gewalt, britischen Anleihen und den Finanzkunststücken des Zentralbankiers Deutschlands, Hjalmar Schachts, Montagu Normans Günstling. Hierauf folgte der unglaubliche „Tanz“ Großbritanniens mit Nazideutschland (1933-1943), von ersterem geführt, um letzteren mit Schwung zum Krieg gegen Russland zu schieben. Auch Russland, synchron mit London, betrieb mit den Nazis Appeasement, um sie in die Falle der Ostfront zu locken. England vollführte eine hypnotisierende Schau vor der Welt, indem es der Welt eine Spaltung seiner herrschenden Klasse in Pro-Nazis und Anti-Nazis vorspielte, womit dem fehlenden Willen Rechnung getragen werden sollte, Hitler nach der Invasion Polens, womit der Zweite Weltkrieg ausgelöst worden war, an seiner Westfront zu bekämpfen. Die Wahrheit sah anders aus. Hinter den Kulissen wurde ein Handel vereinbart. Mit Berechnung hielt Britannien die USA drei Jahre lang davon ab, im Westen eine Front zu eröffnen, um so den Nazis ungestörtes Vordringen und Verwüstung in Russland zu ermöglichen; im Austausch für eine rasche Evakuation deutscher Streikräfte aus dem Mittelmeerbecken, das für England eine Zone von lebenswichtigem Interesse war. Nachdem dieses Meisterstück an Verstellung seine Ziele erreicht hatte, ließ England die Maske fallen und warf alle Kräfte auf die überlisteten Nazis, die an zwei Fronten von den zusammen vorrückenden sowjetischen und angloamerikanischen Streitkräften zerschmettert wurden (Kapitel 5)

 

Um die deutsche Bedrohung auszuschalten, mußten die britischen Eliten eine hohen Einsatz wagen. Dreißig Jahre lang (1914-1945) hatten sie an einem Geflecht von Finanzoperationen, internationalen Komplizenschaften, Geheimdienstverschwörungen, diplomatischen Teufeleien, militärischem Können, unmenschlicher Verlogenheit gewoben und schließlich damit Erfolg gehabt. Dieses Spiel um die anglo-amerikanische Oberherrschaft wurde zum Preis von annähernd 70 Millionen Menschenleben in zwei Weltkriegen gewonnen - ein Holocaust, der sich nicht in Worte fassen läßt. Beide Konflikte wurden von Großbritannien gewollt und in Kraft gesetzt. Im ersten Weltkrieg war es Unfähigkeit, mit der Deutschland verloren wurde, im zweiten gab es nicht einmal mehr ein Deutschland, das der Rede wert wäre. Alles was zu sehen ist, ist eine betäubte Bevölkerung, ein in Zaum gesteckter Volksautomat, zugerichtet, zurechtgerüstet und aufgezogen von den Briten (und den Sowjets). [4]

 

Somit muß der Westen neu nachdenken - muß sich denkend vor Augen führen, daß es etwas weit Schlimmeres als den Nazismus gibt, und das ist die Hybris der anglo-amerikanischen Bruderschaften, für die das Entflammen der eingeborenen Ungeheuer zum Krieg Routine ist und die Oberhand in Heidenlärm und Heidenschlachten zu behalten ihrem imperialen Ziel dient.

 

 

 



[1] Ernst Nolte’s Der europäische Bürgerkrieg, 1917-1945: Nationalsozialismus und Bolschewismus (Der Europäische Bürgerkrieg, 1917-1945: Nationalsozialismus und Bolschewismus. 1987. Berlin: Propyläen Verlag) ist ein angemessener Fall eines mildernden Herangehens an den Aufstieg des Nazismus.

[2] Eine buchstäblich stereotype Produktion, die z. B. von William Shirer’s The Rise and Fall of the Third Reich (1960. New York: Simon & Schuster) bis hin zu Michael Burleigh’s The Third Reich, A New History (New York: Hill and Wang), oder Ian Kershaws jüngster Biographie Hitlers reicht (in zwei Bänden: Hubris, 1998, and Nemesis, 2000. New York: W.W. Norton & Company).

[3] Die sogenannte ‘Demokratie” ist ein Schein, die Stimmabgabe eine Travestie. In modernen bürokratisierten Systemen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sind, ist die Feudalorganisation sozusagen auf die nächste Stufe gehoben worden. Ein Hauptzweck dessen, worauf sich Thukydides in seiner Epoche als  Synomosiai (wörtlich: sich gegenseitig schwören) – i.e. die nicht offen sichtbaren Bruderschaften, die hinter den Sippen agierten -  bezieht, ist immer gewesen, die Eintreibung des Pachtzinses (also „freies Einkommen“ in der Form von Zins, Finanzgebühren und ähnlichen Diebstahls) aus der Bevölkerung so unergründlich und undurchsichtig wie möglich erscheinen zu lassen. Die ungeheuerliche Subtilität und der Propagandaschleier kunstvoll enthüllter Irrmeinungen über das Bankwesen (in Kapitel 4 werden wir darauf zurückkommen) sind die Hauptwerkzeuge, womit es den Hierarchen gelingt, sich den Reichtum der sie tragenden Gemeinschaft anzueignen und zu verwalten. Dies ist das durchsichtige Zeugnis der wesentlichen Transformation, die sich in der feudalen/oligarchischen Organisation in der Moderne vollzogen hat. Der Westen hat sich von einem agrarischen Establishment, das auf niedriger technischer Stufe auf dem Rücken von leibeigenen Knechten lastete, zu einem hochmechanisierten postindustriellen Bienenstock herangearbeitet, dessen Stärke von nicht weniger entbürgerlichten Sklaven mit weißem Kragen oder Blaumann genährt wird, deren Leben an die jeweiligen Modewellen des Konsums verpfändet werden. Die Grundherren von einst treiben ihre Tribute nicht mehr sichtbar ein, weil sie sich zur Erreichung dieses Zwecks auf die Mechanik des Bankkontos verlassen können, während die Zwischenklasse, in Gestalt von Akademikern und Publizisten, den Synomosiai stets treu ergeben geblieben sind. Der andere konkrete Unterschied zwischen gestern und heute ist der immense Durchsatz industrieller Produktion (deren potentielle Höhe jedoch immer entscheidend unterschritten worden ist – um die Preise hoch zu halten). Was die „demokratische Beteiligung“ des gewöhnlichen Staatsbürgers angeht, so wissen diese in ihren Herzen, daß sie nie etwas von Bedeutung entscheiden und daß Politik darin besteht, die Menge in diese oder jene Richtung zu lenken nach Wünschen und Ratschlüssen der Wenigen, welche die Schlüssel zu Information, Intelligence und Finanz in Händen halten. Diese Wenigen mögen von Zeit zu Zeit in einander bekriegende Fraktionen gespalten sein; je tiefer der Riß geht, desto blutiger zeigt sich dann die soziale Zerrissenheit. Die Ergebnisse von Wahlen im Westen im vergangenen Jahrhundert sind leuchtende Monumente der Folgenlosigkeit von „Demokratie“: trotz zweier verheerender Weltkriege und eines spät eingeführten Systems proportionaler Vertretung, aus denen sich eine Fülle von Parteien bildete, hat Europa keinen nennenswerten Wandel seiner sozialökonomischen Verfassung zu verzeichnen, wohingegen Amerika im Laufe der Zeit immer mehr mit seinem oligarchischen Selbst identisch wird. Dort ist das demokratische Schauspiel auf den Wettbewerb zweier Flügel einer ideologisch kompakten Einparteienstruktur herabgesunken, die tatsächlich für mehr oder minder verborgene „Klubs“ die „Lobby“ zur Verfügung stellt. Der Grad der öffentlichen Teilnahme an dieser schamlosen Verhöhnung ist wie bekannt verständlicherweise tief abgesunken: auf etwa höchsten ein Drittel der Wahrberechtigten.

[4] Das Leitmotiv des Buches ist die Bewußtheit der Anstrengungen, die von den britischen Klubs zur Erhaltung des Empires unternommen wurden. Dabei wurde auch die Voraussetzung in Kauf genommen, daß die Führung bei dieser Anstrengung an die amerikanischen Brüder abgetreten werden müßte, die von den Klubs als ihre geistigen Erben gehegt wurden. Die Folgerung, die hier vertreten wird, ist daß Britanniens imperialer Weg womöglich die ungeheuerlichste Manifestation des Machiavellismus in der modernen Geschichte war. Denn dieses Empire schreckte vor nichts zurück, um seine beherrschende Stellung zu behalten; es kannte keine Mittel, die nicht vom Endzweck gerechtfertigt waren. Um die Welthegemonie zu erlangen, scheute Britannien keinen Schritt zurück vor der Planung eines unaufhörlichen Zeitenwechsels von Auflösung und Schmerz, um eine gespenstische einheimische Kraft heranzuzüchten, die es in einem zweiten Weltkonflikt zu manipulieren vorhatte - auch das seine Idee. All das war vom Beginn 1919 an bis zum Ende 1945 ein aus einem kühlen Kopf entsprungenes berechnetes Stück. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß eine solche These damit zu rechnen hat, daß sie von den patriotischen „Experten“ der westlichen Akademikerzunft als noch so eine groteske Verschwörungstheorie ausgepfiffen wird. Tatsächlich aber zieht diese These nichts weiter als einen Faden, mit dem sich schließlich eine Ansammlung von Einsichten und Beweisen zusammenfügen lassen, die schon seit Jahren verfügbar sind. Diese haben allerdings seit längerem dem Dissent eine Plattform geboten, das heißt denjenigen, die in Geschichte und Ökonomie nachforschen und freimütig genug waren anzuerkennen, daß das zentrale Dogma der internationalen Beziehungen die Geheimhaltung ist. Man braucht nur an die Multimilliardenbudgets zu denken, die in unserer Zeit für „intelligence“ ausgegeben werden - Pfründem, die von nicht gewählten „Beamten“ verwaltet und zugewiesen werden: nie öffentlich gemachte Sabotageakte, nach innen und nach außen verbreitete Desinformation, nebelhafte „Gutachten“, Söldnerunternehmungen und Gott weiß was sonst, wovon die Steuerzahler kein Nachrichtendienst etwas wissen läßt. Noch einmal, die demokratische Öffentlichkeit soll nichts zu sagen haben, darf sich aber an den Kosten beteiligen, die ihr die Rentiers aufbürden, während sie sich hinter verschlossenen Türen verschwören. Es stimmt, nicht alle Verschwörungen sind erfolgreich - für manche ist die Zeit reifer als andere - aber alle großen historischen Entwicklungen, zum Guten oder Schlechten, werden unweigerlich erdacht, ausgefochten und bekämpft von den Initiierten verschiedener einander entgegengesetzter „Gesellschaften“. Und die Herden, sich selbst zum Trotz, folgen ihnen. Im zwanzigsten Jahrhundert haben die anglo-amerikanischen Klubs die Oberhand gehabt. Ihre Machtstellung hat wenig zu tun mit Menschenrechten, freien Märkten und Demokratie, ganz gleich was sie schamlos von sich bekennen mögen. Was hier folgt, ist die Geschichte der wichtigsten Schlacht, die sie bisher siegreich gefochten haben: die erschreckende Kampagne gegen Deutschland.